Die wirksame Bewältigung von Verhaltensproblemen bei Kindern erfordert ein besseres Verständnis der Unterschiede zwischen einem "Orchideen"-Kind und einem "Löwenzahn"-Kind

Eigenschaften, die ein Kind anfällig zu machen scheinen, können auch diejenigen sein, die ihm unter den richtigen Bedingungen die größten Chancen bieten, sich zu entfalten.

Was bei welchen Kindern funktioniert - und warum - ist nach wie vor eine ungelöste Frage. Auf den ersten Blick scheinen die Auswirkungen von Elterntraining und anderen Maßnahmen bestenfalls bescheiden zu sein, wenn man sie auf die allgemeine Bevölkerung bezieht. Aber wir beginnen zu verstehen, dass solche pauschalen Beobachtungen vergleichsweise große Auswirkungen auf einige Kinder verschleiern können, die sowohl auf qualifizierte Maßnahmen als auch auf deren Fehlen viel empfindlicher reagieren als andere.

Einigermaßen grob gesagt, wird manchmal eine Analogie zwischen Orchideen und Löwenzahn gezogen. Orchideen sind wunderschön, aber sie brauchen viel fruchtbaren Boden und einen guten Gärtner, um überhaupt zu überleben. Wenn die Bedingungen günstig sind, können sie sich prächtig entwickeln. Aber wenn der Boden schlecht ist und der Gärtner unerfahren, verwelken sie schnell. Nehmen wir andererseits den Löwenzahn. Er kann sich an so gut wie jede Umgebung anpassen. Er braucht keinen hervorragenden Gärtner, keinen guten Boden und kein gutes Wetter. Er kann in fast jeder Umgebung überleben und gut aussehen. Tatsächlich kann die Verbesserung des Bodens oder die Einstellung eines hervorragenden Gärtners kaum einen Unterschied für ihre Entwicklung ausmachen.

Diese Analogie ist zwar grob, aber sie veranschaulicht den Unterschied, den die Forschung zwischen "Orchideen" - Kindern, deren Wohlergehen stärker von den Umweltbedingungen abhängt - und "Löwenzahn" - Kindern, deren Ergebnisse konstanter sind, unabhängig von den Umständen, die die Entwicklung der Orchideen entweder ernsthaft zurückwerfen oder verändern könnten - festgestellt hat.

"Menschen als von Natur aus 'gefährdet' zu bezeichnen, ist gefährlich, denn die Merkmale, die sie anfällig zu machen scheinen, können genau die Merkmale sein, die ihnen eine optimale Entwicklung ermöglichen, vorausgesetzt, sie finden ein unterstützendes Umfeld."

Ein Teil der Erklärung könnte in der Rolle liegen, die die Gene in der kindlichen Entwicklung spielen. Kinder mit bestimmten, weniger effizienten Dopamin-bezogenen Genen schneiden in einer negativen Umgebung schlechter ab als Kinder ohne diesen Genotyp. Mindestens ebenso interessant ist jedoch die Feststellung, dass die Gruppe mit diesem "genetischen Risiko" auch am meisten von positiven Umwelten profitiert.

Ein gutes Beispiel für dieses Phänomen sind Kinder, die eine bestimmte Variante des Dopaminrezeptor-Gens haben. Diesem Gen wird nachgesagt, dass es Aufmerksamkeitsdefizitstörungen vorhersagt, weshalb es in der psychologischen Literatur einen schlechten Ruf hat. In einer randomisierten kontrollierten Studie fanden wir jedoch heraus, dass Träger dieses riskanten Genotyps besser abschneiden als Kinder, die diesen Genotyp nicht tragen, wenn man sie in eine unterstützende Umgebung bringt, in der sie ihre Aufmerksamkeit bei einer Reihe von Spielen genau konzentrieren müssen. Sie scheinen besser lernen zu können, vorausgesetzt, das Umfeld ist so strukturiert, dass es motivierend ist und diesen Kindern, bei denen ein Risiko für Aufmerksamkeitsprobleme besteht, hilft, sich besser zu konzentrieren. Solche Kinder brauchen vielleicht eine andere Umgebung als ein Klassenzimmer, das für sie zu laut und chaotisch sein kann. Im Klassenzimmer müssen sie ihre Aufmerksamkeit auf zu viele verschiedene Arten aufteilen. In der richtigen Umgebung, in der sie sich auf ein Spiel konzentrieren, lernen sie jedoch besser als ihre Altersgenossen.

Diese Ergebnisse geben Anlass zu großer Hoffnung bei der Suche nach Maßnahmen, die Kindern mit Schwierigkeiten helfen können. Sie deuten darauf hin, dass die Kinder, die am meisten gefährdet zu sein scheinen, am ehesten von den Maßnahmen profitieren können. Diese Beobachtung verspricht, dass wir eine bessere Übereinstimmung zwischen Maßnahmen und Kindergruppen erreichen können, was dann zu einer kosteneffizienteren Nutzung der Ressourcen führen könnte.

Die Genotypisierung von Kindern ist vielleicht nicht praktisch oder ethisch wünschenswert. Möglicherweise ist sie aber auch nicht notwendig. Wir wissen, dass bestimmte Genotypen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen in Verbindung gebracht werden können, z. B. mit einem "reaktiven" Temperament oder einer erhöhten biologischen Stressreaktivität. Das Erkennen dieser Indikatoren kann uns sagen, dass ein Kind von einer bestimmten Intervention besonders profitieren könnte, oder dass es benachteiligt ist, wenn diese nicht verfügbar ist. All dies kann das Screening von Kindern erleichtern, um die Passung zwischen Kind und Behandlung zu optimieren.

Zum Beispiel haben wir eine Reihe von Studien mit Kindern im Alter von 3 und 4 Jahren durchgeführt, bei denen wir Videofeedback von Interaktionen verwendeten, um den Eltern zu zeigen, welche ihrer Interventionen von wirklich hoher Qualität waren. Dies half ihnen, ihre Fähigkeiten zu verbessern, auf die Kinder einzugehen und mit ihnen zu spielen. Wir fanden heraus, dass diese Anleitung besonders gut dazu geeignet war, aggressives Verhalten von Kindern mit reaktivem, schwierigem Temperament zu reduzieren. Diese reizbareren Kinder mit ihrem empfindlicheren Temperament profitierten am meisten von weniger aggressivem Verhalten, wenn sie schnelle, einfühlsame, positive elterliche Interaktionen in Zeiten der Bedrängnis erlebten. Die Auswirkungen waren bei Kindern mit weniger reaktivem Temperament weit weniger ausgeprägt.

Diese Beobachtungen sind kein Argument dafür, weniger anfälligen Kindern Interventionen vorzuenthalten. Erstens kann es aus Gründen der Gerechtigkeit keinen Unterschied in der Eignung für Interventionen zwischen Kindern mit denselben Bedürfnissen geben; zweitens reagieren offensichtlich weniger anfällige Kinder vielleicht einfach weniger auf die bisher erprobten oder getesteten Interventionen. Sie benötigen möglicherweise andere Arten von Maßnahmen. Idealerweise sollte eine unterschiedliche Anfälligkeit nicht zu Ungleichheit, sondern zu differenzierten, sensiblen Interventionen und damit zu einer wirksameren Behandlung führen.

Unsere Ergebnisse sollten uns auch dazu veranlassen, vorsichtiger damit zu sein, Kinder aufgrund ihrer Konstitution, ihrer genetischen Ausstattung oder ihrer Temperamentsmerkmale als "gefährdet" einzustufen. Wir haben gezeigt, dass das Problem in vielen Fällen nicht bei ihnen liegt, sondern bei der Umgebung, in der sie sich befinden. Menschen per se als "gefährdet" abzustempeln, ist gefährlich, denn die Merkmale, die sie anfällig zu machen scheinen, können genau die sein, die ihnen eine optimale Entwicklung ermöglichen, sofern sie ein unterstützendes Umfeld finden.

Politische Implikationen

Präventive Maßnahmen, die scheinbar nur geringe Auswirkungen auf die Allgemeinheit haben, könnten bei bestimmten Kindern, die solche Maßnahmen am meisten benötigen, sehr hilfreich sein.

Praktische Implikationen

Eltern, Betreuer und Lehrer sollten ihr Kind nicht vorschnell als "schwierig" abstempeln. Diese Kinder können ein großes Potenzial haben, das sich in der richtigen Umgebung mit mehr Struktur und schneller positiver Rückmeldung entfalten kann.

Referenzen

Bakermans-Kranenburg MJ & van IJzendoorn MH (2011), Differential susceptibility to rearing environment depending on dopamine-related genes: New evidence and a meta-analysis, Development and Psychopathology 23.1

(2015), Hidden efficacy of interventions: Gene x environment experiments from a differential susceptibility perspective, Annual Review of Psychology 66

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